Zu sehen ist eine ausgestreckte Hand auf der das Wort Gleichberechtigte Beziehung? Nö!

„Aber E-Lou, mein:e Partner:in will keine gleichberechtigte Beziehung!“ Immer wieder bekomme ich solche oder ähnliche Kommentare und Rückmeldungen: Eine Person interessiert sich für das Thema und würde gerne daran arbeiten. Der oder die andere fühlt sich angegriffen und/oder blockiert. Aber warum ist das eigentlich so? Und wie können wir dieses Problem endlich lösen?

Was ist eine gleichberechtigte Beziehung?

Stell dir vor: Ein Elternpaar sitzt an einem Tisch. Auf diesem Tisch liegen Karten, auf denen Aufgaben stehen, die im gemeinsamen Familienleben anfallen: Kochen, Einkaufen, Wäsche waschen, Kinder (emotional) begleiten, Reparaturen vornehmen, Autoreifen wechseln, Versicherungen prüfen, etc. Eine Beziehung ist dann gleichberechtigt, wenn kein Elternteil automatisch bestimmte Karten auf der Hand hält, weil er ein Mann ist oder sie eine Frau ist (bzw. Aufgrund eines bestimmten Rollenverständnisses in der Beziehung).

Das bedeutet, dass eine gleichberechtigte Beziehung unbedingt einen Dialog erfordert. Eltern müssen darüber sprechen und gemeinsam festlegen, wer sich um welche Aufgaben kümmert. Wenn dieser Dialog nicht stattfindet, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass man als Elternpaar automatisch in eine klassische Rollenverteilung rutscht. Die Weichen sind in unserer Gesellschaft nach wie vor in diese Richtung gestellt. Dabei ist die Tatsache, dass beide Elternteile erwerbsarbeiten nicht der ausschlaggebende Indikator dafür, ob sie sich die Elternschaft gleichberechtigt aufteilen. Zwei Eltern können exakt gleich viel erwerbsarbeiten und trotzdem kann die Beziehung nicht gleichberechtigt sein.

Was willst du eigentlich? Und warum?

Oft wünscht sich die Person, die das Gespräch auf den Tisch bringt, in erster Linie Entlastung. Die Person, oftmals die Frau, wünscht sich eine fairere Aufteilung von anfallenden Haus- und Carearbeitsaufaben. Sie leidet vielleicht unter der Mental Load, die diese mit sich bringen. Oder sie wünscht sich mehr Raum für ihre berufliche Erfüllung und generell mehr Arbeitszeit. Oder umgedreht wünscht sich eine Person in der Familie mehr Zeit mit den Kindern oder eine Aufteilung der finanziellen Last.

Es ist wichtig zu erklären, was genau man eigentlich möchte. Denn vielleicht muss das ja gar nicht die strenge 50/50 Aufteilung von Erwerbs-, Haus- und Carearbeit sein. Obwohl ich diese Aufteilung aus vielen Gründen für sehr hilfreich für eine glückliche Beziehung halte, weiß ich, dass sie manche Menschen erst mal überfordern kann und auch nicht jede:r so glücklich wird.

Also unterhaltet euch über eure speziellen Wünsche. Was brauchst du um dich gleichberechtigt zu fühlen? Diese Definition und die dazugehörigen Wünsche werden sich im Laufe des Lebens auch immer wieder ändern. Ein neuer Job kann zum Beispiel ganz neue Bedürfnisse in Bezug auf das Familienleben erwecken. Das ist also ein lebenslanger Prozess.

Was willst du nicht? Und warum?

Es gibt eine Vielzahl an möglichen Wiederständen und Gründen für den Widerstand gegen eine gleichberechtigte Beziehung. Drei, die mir häufig begegnen sind:

  1. Angst
  2. Fehlende Anerkennung
  3. Beziehungsdynamiken

Angst

Zum Thema Angst ist es z.B. die Angst vor der Reaktion des Umfeldes. Vielleicht lachen meine Kollegen über mich, wenn ich meine Arbeitszeit reduziere, um auf die Kinder aufzupassen. In diesem Fall ist es wichtig die Ängste ernst zu nehmen, um sich dann aber auch zu fragen: Was ist mir denn wichtiger? Eine glückliche Beziehung zu meinem/meiner Partner:in und meinen Kindern oder die Reaktion von Außen?

Eine weitere Angst ist die Angst vor beruflichen Nachteilen. Wenn die Person ihren Selbstwert sehr stark aus der beruflichen Erfüllung zieht, dann kann das eine ernstzunehmende Angst sein. Leider ist es ja immer noch so, dass Teilzeit mit Beeinträchtigungen auf dem Karriereweg einhergeht. Hier kann es förderlich sein Positiv-Beispiele zu suchen. Ein Vorbild zu haben, also einen Menschen, der eine Karriere und das Einbringen in der Familie erfolgreich vereint, kann viel Angst nehmen und die Motivation stärken.

Eine weitere Angst ist oft die Angst vor Überforderung. Was ist, wenn ich das nicht einfach nicht schaffe? Haus- und Carearbeit beinhaltet eine herausfordernd große Anzahl von komplexen Aufgaben, deren Anblick einem schon mal Angst einjagen kann. Aber es gilt: Die Arbeit ist ein Handwerk. Man kann es lernen. Was man mehr macht und übt, wird einem nach und nach auch leichter fallen. Wichtig ist hierbei sanft mit sich zu sein und es Schritt-für-Schritt anzugehen.

Anerkennung

Ein weiteres Thema ist die Anerkennung: Viele Menschen fühlen sich in ihren Partnerschaften nicht angemessen wertgeschätzt. Man fühlt sich ungesehen mit der Arbeit, die man täglich leistet. Es kann dann sein, dass sich der Partner im Widerstand (meistens sind es Männer), aus Trotz dagegen lehnt. Ich arbeite so viel und du bist trotzdem noch unzufrieden? Willst sogar, dass ich noch mehr mache? Nö!

In diesem Fall kann es hilfreich sein, den Fokus auf gegenseitige Wertschätzung zu legen: Danke, dass du auf die Kinder aufgepasst hast. Danke, dass du den Müll runter gebracht hast. Danke, dass du das Auto in die Werkstatt gebracht hast.

Beziehungsdynamiken

Außerdem können Beziehungsdynamiken zu Problemen führen: Gibt es in der Beziehung vielleicht Abhängigkeitsverhältnisse oder Dynamiken in der Beziehung, die einer gleichberechtigten Beziehung im Weg stehen? So kann es zum Beispiel sein, dass eine Frau ihren Selbstwert daraus zieht, gebraucht zu werden, während ihr Partner es liebt, wenn man sich um ihn kümmert. Dann könnte es für die Frau schwierig sein, Aufgaben abzugeben, da sie sich dann weniger gebraucht fühlt.

Diese Prozesse laufen unterbewusst und automatisch ab und sind deshalb nicht leicht zu erkennen. Es kann trotzdem helfen sich mal selbst zu beobachten: In welchen Situationen fühle ich mich denn besonders gut? Wenn mich jemand lobt? (Anerkennung) Oder wenn sich jemand um mich kümmert? (Bindung oder Entspannung) Vielleicht sogar, wenn ich über etwas bestimme und Entscheidungen treffe? (Autonomie oder Dominanz).

Um diese Dynamiken und vor allem die Gründe dafür genauer unter die Lupe zu nehmen, braucht es in der Regel Hilfe von Außen. In einem Coaching, einer Beratung oder einer Therapie kann man dann auch versuchen solche Glaubenssätze loszulassen und durch andere zu ersetzen, wenn man möchte.

Und wenn gar nichts mehr hilft?

Wenn man die oben genannten Lösungsansätze ausgeschöpft hat und (mindestens) eine Person immer noch einen hohen Leidensdruck hat, da sich nichts oder nicht genug verändert hat, dann bleibt zum Schluss: Die Trennung. Viel zu selten wird auch dieser Punkt angemessen beleuchtet, dabei ist er so wichtig.

Realtisch gesehen, werden auch immer wieder Leute zusammenkommen, deren Definition einer gleichberechtigten oder glücklichen Beziehung einfach nicht zusammenpassen. Man wird mit zu verschiedenen oder zu verfestigten Dynamiken, Rollenverständnissen oder Glaubenssätzen konfrontiert oder eine Person hat schlichtweg kein Interesse oder nicht genug Leidensdruck, um daran etwas zu ändern.

In diesem Fall hat die Person mit dem erhöhten Leidensdruck eine Entscheidung zu treffen: Akzeptieren und sich abfinden oder die Partnerschaft beenden.

Ich bin der Überzeugung, dass viele Beziehungen gerettet werden können und viele Beziehungen zu früh beendet werden. Es gibt jedoch auch Beziehungen, bei denen es für alle Parteien besser ist, sich zu trennen. 

Fazit: Gleichberechtigte Beziehung

Gerade deshalb empfehle ich allen Paaren mit ähnlichen Problemen den hier beschriebenen 4-Punkte-Plan strikt von 1-4 durchzugehen. Hier noch mal zusammengefasst, was du bzw. ihr tun könnt, wenn eine:r keine gleichberechtigte Beziehung möchte:

  1. Einigt euch auf eine Definition von „gleichberechtigte Beziehung“
  2. Exploriert mögliche Widerstände und ergründet diese
  3. Sucht euch Hilfe
  4. Erwägt, ob eine Trennung in Frage kommt

Die Original Podcastfolge zu diesem Thema findest zu hier.

Wenn du mehr zum Thema gleichberechtigte Beziehung wissen möchtest, höre dir gerne auch die anderen Folgen in meinem Podcast „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ an, zum Beispiel mit Sina Fricke über den „Club der guten Mütter“.