Frau mit langen braunen Haaren und Mann mit kurzen Haaren lächeln in die Kamera

Elternzeit für Väter

Dass ein Mann zwei Jahre Elternzeit nimmt, ist immer noch eine Ausnahme

Eine Elternzeit für Väter von mehr als zwei Monaten sorgt nach wie vor für Verwunderung. Dieser Verwunderung hat sich Alex Hinz gestellt, als er nach der Geburt seiner Tochter feststellte, dass die klassische Rollenverteilung für ihn nicht passt. Er wollte mehr Zeit für seine Tochter und seine Familie haben und nicht als klassischer Ernährer fungieren. Diese Planänderung kam für Alex Frau Verena überraschend. Bis zum Zeitpunkt der Geburt war für sie klar gewesen, dass sie in ihrer Erwerbsarbeit zurückschraubt, um die Kinderbetreuung zu übernehmen. Als Alex ihr eröffnete, dass auch er eine längere Elternzeit nehmen wollte, musste Verena sich erst an diesen Gedanken gewöhnen.

„Das war eine sehr große Umstellung für mich, weil ich erstmal dachte ,Ich will zu Hause bleiben.’ Und weil ich auch so Glaubenssätze in mir hatte wie ,Ich kann nur eine gute Mutter sein, wenn ich zu Hause bin.

Gleichberechtigte Aufteilung

Inzwischen haben Verena und Alex eine Aufteilung gefunden, die sich für beide gut und stimmig anfühlt. Dass Alex als Vater zwei Jahre Elternzeit eingereicht hat, führte zwar im ersten Moment zu überraschten Reaktionen bei seinem Arbeitgeber. Nachdem die Nachricht verdaut war, erntete Alex allerdings viel Verständnis von allen Seiten. Verena hat ihre Erwerbstätigkeit als selbstständige Hebamme ein halbes Jahre nach der Geburt der gemeinsamen Tochter wieder aufgenommen. Um die Aufteilung der Erwerbs-, Haus- und Carearbeit möglichst gleichberechtigt zu gestalten, haben Alex und Verena eine Liste an anfallenden Aufgaben erstellt. Diese Aufgaben haben sie sich im zweiten Schritt untereinander aufgeteilt: Wer geht einkaufen, wer macht Wäsche, wer kümmert sich ums Auto, wer kümmert sich um Versicherungen? Diese Verteilung führte auch zu einigen Erkenntnissen. Zum Beispiel darüber, was der/die andere jeweils schon alles leistet und wie viele Aufgaben lange unsichtbar erledigt wurden.

Gemeinsame Firmengründung

Als wäre das nicht Herausforderung genug haben Alex und Verena im Jahr 2020 zusätzlich eine gemeinsame Firma gegründet. Unter dem Namen „Hinzling“ produzieren und vertreiben sie inzwischen seit einigen Monaten in Europa hergestellte Stoffwindeln. Dass sie nun nicht nur Ehepaar und Eltern sind, sondern obendrauf auch noch Geschäftspartner, stellt die beiden nun vor noch größere Herausforderungen.

„Diese ganzen Rollen, die wir haben – als Ehepartner:in, Elternteil, im Job zu sein und zusätzlich ein Unternehmen zu führen – die können wir nicht alle zu 100% ausfüllen. Das musste uns erstmal klar werden.“

Die Rollenkombinationen, die Alex und Verena in ihrer Beziehung leben, haben Vorteile. Zum Beispiel den, dass man sich als Paar noch ein bisschen besser kennenlernt. In der Rolle der Geschäftspartner verhält man sich anders als in der Rolle als Eltern. Das bringt nochmal ein paar weitere Facetten der/des anderen zum Vorschein. So kann eine noch tiefere Verbindung zueinander entstehen.

Doch natürlich hat das Ganze auch Nachteile. Und zwar dann, wenn die verschiedenen Rollen im Konflikt zueinander stehen oder sich gegenseitig ungünstig beeinflussen. Ein privater Streit wird im geschäftlichen Rahmen weiter geführt oder umgekehrt. Auch ein gemeinsamer Feierabend ohne über geschäftliche Belange zu sprechen ist schwierig.

Obwohl Alex und Verena in dieser Konstellation viel Zeit miteinander verbringen, birgt es trotzdem die Gefahr, dass die Partnerschaft auf der Strecke bleibt. Zumindest dann, wenn man sich nicht aktiv darum kümmert und sich Zeit und Raum für die Liebesbeziehung nimmt. Über viel Kommunikation, Klärung von Erwartungshaltungen und Unterstützung durch einen Coach haben die beiden für sich einen passenden Weg gefunden, all ihre verschiedenen Rollen gleichberechtigt aufzuteilen. Dass Alex eine zweijährige Elternzeit genommen hat, war dabei mit Sicherheit ein begünstigender Einflussfaktor.

Das Gespräch mit Alex, Verena und mir gibt es auch als Podcastfolge: „Gleich & Gleich gesellt sich gern“, Folge 67 bei Spotify und iTunes oder direkt auf dieser Website.