Alexandra Schwarz-Schilling, Patriarchatskritikerin, lacht in die KameraWie entstand das Patriarchat?

Patriarchat oder eher Patriarchatskritik. Damit beschäftigt sich Alexandra Schwarz-Schilling schon seit einigen Jahrzehnten. Durch ihre Reisen und das Leben in nicht-westlichen Ländern hat sich Alexandra immer mehr mit der Versöhnung der Geschlechter befasst. Sie geht der Frage auf den Grund, warum wir in unserer Gesellschaft eigentlich das Weibliche in großem Maße unterdrücken und was die Klimakrise damit zu tun hat.

Über Alexandra Schwarz-Schilling

Alexandra Schwarz-Schilling ist eine Expertin für die so genannte „Patriarchatskritik“ und hat die Coachingspirale, ein Ausbildungsinsitut für Coaches, gegründet. Sie hat viele Jahre im Ausland verbracht und durch das Kennlernen vieler unterschiedlicher Weltanschauungen ist ihr bewusst geworden, dass Weiblichkeit in unserer westlichen Gesellschaft massiv degradiert und unterdrückt wird. Sie hat zum Thema „Versöhnung der Geschlechter“ viel studiert, gelesen und vorgetragen. Nach wie vor bringt sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen wortwörtlich „an die Frau“. Zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Christin Colli hat sie das Buch „Gemeinsam frei sein – Beziehung verstehen, Glück erschaffen“ geschrieben. In dem Buch geht schreiben die Autorinnen nicht nur über die Entstehung des Patriarchats, sondern sie thematisieren auch, wie wir dieses Wissen nutzen können, um unsere heutigen Beziehungen zu heilen. Seit Anfang 2022 bietet das Ausbildungsinstitut Coaching Spirale auch eine Online-Ausbildung „Multiplikator:in für gesellschaftliche Transformation“ an, in der die Geschichte der Geschlechter und deren Versöhnung gelehrt wird.

Wie entstand das Patriarchat?

In der Frühzeit (bis vor ca. 6000-7000 Jahren) wurde es als selbstverständlich erachtet, dass das Schöpferische aus dem Weiblichen kommt. Das Patriarchat ist dann durch die Tierzucht entstanden. Zuvor haben sich Menschen ebenbürtig mit den Tieren gefühlt. Mit der Tierzucht begannen Menschen, Tiere beherrschen zu wollen. Man habe versucht die sexuelle Evolution, die „female choice“, zu brechen, so Alexandra. Female Choice bedeutet, dass in der Natur die Weibchen entscheiden mit wem sie Nachkommen zeugen möchten. Das wurde von der Tierzucht durchbrochen, in dem man die Weibchen, überspitzt formuliert, angebunden hat und den stärksten Bullen über sie drüber gejagt hat.

Das männliche Prinzip

Menschen fanden also heraus, dass ein Bulle reicht, um viele Weibchen zu schwängern. Das habe zu einer neuen Anschauung geführt: Das Konzept des männlichen Schöpfers. Man habe das männliche Spermium mit einem Pflanzensamen verwechselt, der das ganze schöpferische Potenzial besitzt. Während das Weibliche lediglich ein Gefäß für diesen Prozess ist.

Dieses männliche Prinzip hat sich dann in der Bronzezeit durchgesetzt. Die Ehe wurde eingeführt, um diese „Herrschaft der Väter“ (Bedeutung des Wortes „Patriarchat“) durchzusetzen. Es war wichtig zu wissen, wer der Vater war und dafür musste die Sexualität der Frau kontrolliert werden. Die Frau wurde über die Ehe eine Gefangene. Am Anfang ging es nur um die Vaterschaft, aber viel später wurde durch die Religion dann auch die Sexualität als solches verteufelt.

Was war vor dem Patriarchat?

Viele Hinweise für die Weltanschauung vor dem Patriarchat finden sich in der Archäologie: Welche Kunst gab es? Wie wurden Leute begraben?  Wir war die Architektur? Um möglichst verlässliche Schlüsse über die Vergangenheit zu ziehen, ist allerdings eine interdisziplinäre Forschung nötig, die Klimadaten, Wanderbewegungen und Genetik mit einschließt. Man kann so zum Beispiel auch sehen, dass Reitervölker aus der vorsibirischen Steppe nach Europa kamen, andere Völker überrollt haben und die Frauen für sich vereinnahmt haben.

Diese Forschung ist ein langwieriger Prozess, der immer noch andauert. Man konnte sich lange gar nicht vorstellen, dass Höhlenmalereien vielleicht auch von Frauen, nicht nur Männern, gemalt wurden. Heute weiß man aber, dass da auch weibliche Handabdrücke dabei waren.

Entgegen der voreiligen Schlussfolgerung, dass vor Entstehung des Patriarchats ein Matriarchat herrschte, legt die Forschung viel eher die Vermutung nahe, dass die Geschlechter vielmehr als gleichwertig galten.

Die Unterdrückung der Sexualität

Die Ehe diente dazu, Frauen davon abzuhalten mehrere Sexualpartner zu haben. Die Religionen (Judentum, Christentum und der Islam) zementierten im Anschluss daran die Durchsetzung des Patriarchats durch Aufstellung von Regelwerken, die die Unterdrückung des Weiblichen rechtfertigten. Die Geschichte über Adam und Eva beispielsweise wurde ca. 600 vor Christus aufgeschrieben. Diese Schuldumkehr zeigt exemplarisch die Entwertung der Frau. Ganz plakativ gesagt machen die Täter diejenigen, die sie unterwerfen wollen zu Tätern, damit ihre Unterdrückung ihre Rechtfertigung bekommt.

Das Weibliche und besonders die weibliche Sexualität wurden dämonisiert, Sexualität war nur noch zur Zeugung von Nachkommen legitimiert. Da die Sehnsucht nach Sexualität jedoch weiter bestand, wurden Frauen kategorisiert in „Heilige“ und „Hure“. Die Eine durfte geliebt werden, die Andere musste kontrolliert werden.

Dieses Problem besteht heute noch immer, sagt Alexandra. Frauen, selbst junge Mädchen, wissen, sie müssen sexy sein, aber bloß nicht schlampig.

Wer hat Schuld am Patriarchat?

Diskussionen über das Patriarchat sind oft herausfordernd. Zu schnell gleitet die Diskussion ab in gefühlte oder tatsächliche Schuldübertragung auf heute lebende Menschen, besonders Männer. Es kommt – verständlicherweise – zu Schuldabwehr und Widerstand. Doch es bleibt fundamental wichtig, sich mit der Vergangenheit des Patriarchats zu beschäftigen, um zu sehen und zu verstehen, wie vorherrschend dieses auch heute noch ist. Das Verständnis darüber, dass alle Geschlechter erhebliche Nachteile durch das Patriarchat haben, ist elementar für eine Versöhnung der Geschlechter. Niemand hat Schuld daran, dass wir heute noch immer im Patriarchat leben. Doch wir müssen die Verletzung und den Schmerz der Geschlechter sehen, verstehen und anerkennen, um ihn heilen zu können.

Wie hängt der Feminismus mit der Klimakrise zusammen?

Diese Abwertung der Frau kann auch übersetzt werden in eine Abwertung alles Körperlichen und damit auch der Natur. Die Menschen haben gelernt: Das Leben ist ein Jammertal. Alles Schöne wurde ins Jenseits verbannt. Die Materie wurde zu einem Objekt, das es zu beherrschen galt.

„Wir behandeln die Erde heutzutage wie eine Prostituierte“, so Alexandra. „Wir bohren in sie rein, wir holen aus ihr raus, benutzten sie und werfen die dann weg.“

„Ich spreche gerne von Ökokollaps, mit Artensterben und Sterben jeglicher natürliche Lebensräume. Wir müssen wieder lernen die natürliche Welt aufzuwerten. Es geht gar nicht anders. Was man da glaubt kontrollieren zu müssen, den weiblichen Körper und den Weltkörper, muss man den Platz geben, den es braucht. Wir müssen lernen zu lieben, zu nähren und dankbar zu sein.“ beschreibt Alexandra ihre Sicht auf den Umgang mit unserer Erde. „Wenn wir in Frühgesichte die Erde als Mutter verehrt haben und dann das Männliche überhand genommen hat, wird es jetzt Zeit Erwachsen zu werden und anzuerkennen, dass wir dieser Organismus sind.“

Die Versöhnung der Geschlechter führt nicht nur dazu, dass wir den Mensch als Mensch sehen, unabhängig von Geschlecht und Leistung, sondern es führt auch zu einer Versöhnung mit der Erde.

Fazit

Das Verständnis der Zusammenhänge ist notwenig, um die Geschlechter zu versöhnen. Die Aufwertung des weiblichen Prinzips, egal welchem Geschlecht wir angehören, brauchen wir alle, um eine lebenswerte Zukunft zu gestalten.

Vielen Dank, Alexandra Schwarz-Schilling, für dein Engagement und deine Forschung und dafür, dass du dein Wissen mit uns geteilt hast.

Die Original Podcastfolge mit Alexandra „Die Versöhnung der Geschlechter“, findest du hier.