Emotional Labor: Man sieht eine Frau nachdenkend an einem Tisch sitzen mit dem Text: Ist Beziehungsarbeit Frauensache?Ist Emotional Labor nur was für Frauen?

Als Frau fühlt man sich verantwortlich für die Beziehung, die Qualität und die Arbeit an der Beziehung. Also für die sogenannte „Emotional Labor“. Warum ist das eigentlich so? Und ist das okay?

Was ist Emotional Labor?

Unter „Emotional Labor“ oder auf deutsch „Emotionsarbeit“ versteht man in Bezug auf Beziehungen die emotionale Arbeit in und an eben diesen Beziehungen. Das kann zum Beispiel das Zuhören und Da-Sein für den Partner oder die Kinder sein, wenn sie Probleme haben.

Das beinhaltet aber auch die Arbeit an der Beziehung. Das sich Drum-Kümmern, wenn es um eine fairere Aufteilung der Haus- und Carearbeit geht. Oder das Anregen einer besseren Kommunikationsdynamik. Diese Arbeit fällt in heteronormativen Beziehungen fast ausschließlich auf die Frauen zurück.

Zusammenfassend kann man sagen: Emotional Labor ist jede Form von Arbeit in einer Beziehung, die an den emotionalen und mentalen Energieakkus einer Person knabbert und somit auch ein Teil der Mental Load.

Warum kümmern sich vor Allem Frauen um die Emotional Labor?

Das Rollenverständnis von Eltern basiert auf den Klischees der einfühlsamen Mutter und des erziehungsunfähigen Vaters. Diese Erwartungen sitzen tief in unseren Köpfen und sind seit Jahrhunderten in unserer Gesellschaft verankert.

Doch die Wissenschaft stützt keine dieser Behauptungen. In ihrem Artikel „Are Woman More Compassionate than Men?“ beschreibt Emma Seppala, wissenschaftliche Direktorin des Center for Compassion and Altruism Research and Education an der Standford University, eine Vielzahl von Studien. Alle kommen zum selben Ergebnis: Frauen und Männer verfügen über das gleiche Ausmaß an Mitgefühl, sie drücken es möglicherweise nur aufgrund ihrer Sozialisierung anders aus. Aufgrund kultureller Entwicklungen drücken Frauen ihr Mitgefühl durch das typische Erziehungs- und Bindungsverhalten aus. Männer hingegen drücken Mitgefühl eher durch Beschützerverhalten aus.

Männlichkeit wird in unserer Gesellschaft mit Aggression, Stark-Sein, Beschützen und Geldverdienen in Verbindung gebracht. Frauen assoziiert man hingegen mit Fürsorge, Erziehung und auch Unterordnung. Deswegen fällt es Frauen vermutlich leichter Beziehungsarbeit in ihre Identität zu integrieren, obwohl Männer genauso mitfühlend sein können.

Es ist also nicht naturgegeben. Es ist anerzogen.

Ist das okay?

Beziehungsarbeit fällt also größtenteils auf Frauen zurück und auch ich spreche mit meiner Arbeit hauptsächlich Frauen an, aber ist das eigentlich okay?

Ich habe zwei Hauptgründe für diese Entscheidung:

  1. Frauen haben förderliche Skills für Emotional Labor
  2. Frauen haben, zumindest auf den ersten Blick, das größere Leid

Die oben beschriebenen Erwartungen der Gesellschaft an Mütter, aber auch Frauen im Allgemeinen, haben dazu geführt, dass Frauen von Kleinauf bestimmte Fähigkeiten entwickelt haben, um diese Rollen erfüllen zu können. Im Vergleich zu Männern haben Frauen aufgrund dieser Prägung schon früh gelernt, fürsorglich und lieb zu sein und für die Harmonie in Beziehungen zu sorgen. Das alles sind Skills, die für Beziehungsarbeit enorm förderlich sind. Auch wenn Frauen diese Fähigkeiten nur durch ungerechte Umstände überhaupt erlangt haben, spricht nichts dagegen, diese nun auch zu nutzen.

Damit kommen wir zum zweiten Punkt: Diese Fähigkeiten sollten Frauen für sich nutzen, da sie eben auch die sind, die unter dieser ungerechten Verteilung am meisten leiden. Männer haben im Patriarchat zwar auch deutliche Nachteile durch eine ungleichberechtigte Beziehung (wie zum Beispiel die oft schwächer ausgeprägte Bindung zu ihren Kindern), aber sie sitzen gesellschaftlich gesehen auf jeden Fall am längeren Hebel. Frauen haben somit auch einen höheren Leidensdruck und mehr Motivation etwas an der Situation zu ändern.

Aber was ist mit den Männern?

Meiner Meinung nach müssen Männer (und Jungen) befähigt werden! Sie müssen befähigt werden, sowohl privat als auch politisch emotionale Fähigkeiten zu entwicklen und zeigen zu dürfen, um dann natürlich auch Emotional Labor und Care-Arbeit leisten zu können. Die Befähigung fängt natürlich schon in der Kindheit an, kann und sollte aber auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene stattfinden.

Außerdem darf es natürlich nicht passieren, dass Frauen die Verantwortung für die gesamte Beziehungsarbeit aufgedrückt wird. Es ist ein Unterschied, ob eine Frau sich selbstbestimmt dafür entscheidet, ihre durch Prägung entstandenen Fähigkeiten zu ihren Gunsten zu nutzen oder, ob auf ihren Schulter die Verantwortung für jegliche Beziehungen in ihrem Leben lastet.

Es ist auch wichtig zu betonen, dass die ganze Diskussion zu diesem Thema sowieso schnell an gewisse Grenzen kommt. Zum Beispiel in Beziehungen mit physischer oder psychischer Gewalt. Keine Frau ist verantwortlich, diese Probleme durch ihre emotionalen Fähigkeiten zu lösen. Außerdem hat das grundlegende Schema von Frau vs. Mann und die Sozialisierung dieser Geschlechter natürlich seine Grenzen, da es andere Geschlechter und Familienformen nicht vollends abbilden kann.

Fazit zum Thema Emotional Labor

Emotional Labor oder die emotionale Arbeit in Beziehungen lastet hauptsächlich auf den Schultern der Frauen und Mütter. Das ist nicht fair und muss sich ändern.

Frauen dürfen jedoch trotzdem ihre durch Prägung erlangten emotionalen Fähigkeiten nutzen, um diese Ungleichverteilung aufzuheben. Auch wenn das natürlich nicht heißt, dass Emotional Labor (allen) Frauen leicht fällt; es ist und bleibt eine herausfordernde, kräftezehrende Arbeit. Diese sollte allermindestens angemessen wertgeschätzt werden.

Obwohl Frauen unter diesen Symptomen des Patriarchats stärker leiden, so heißt das umgekehrt nicht, dass nicht auch Männer darunter leiden. Männer sollten deswegen befähigt werden, emotionale Skills zu erlernen und Emotionen zeigen zu dürfen. Es muss normaler werden, Männer in der Beziehungsarbeit zu sehen und es ist ihre persönliche und unsere gesellschaftliche Verantwortung sich in dieser Form sichtbarer zu machen.

Die Original Podcastfolge, die ich mit Anna Horst zu diesem Thema aufgenommen habe, findest du hier.

Wenn du mehr zum Thema gleichberechtigte Elternschaft wissen möchtest, höre dir gerne auch die anderen Folgen in meinem Podcast „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ an, zum Beispiel mit Eve Rodsky über ihr Buch „Fair Play“ oder mit Sina Fricke über den „Club der guten Mütter“.

Autorinnen: E-Lou Falkenberg & Anna Horst