Studieren mit Kind
Studieren mit Kind birgt viele Herausforderungen. Es bietet aber auch die Chance sich schon früh damit auseinander zusetzen, wie man Familie leben möchte und gemeinsam zu wachsen. Ich habe meine Zeit im Studium mit Kind(ern) als unfassbar bereichernd erlebt. Neben meiner persönlichen Weiterentwicklung, war es auch für uns als Familie ein Wachsen im Zeitraffer. Warum wir dabei schon früh gelernt haben, wie wichtig eine gleichberechtigte Partnerschaft für uns ist. Und, wie wir die Hürden auf diesem Weg gemeistert haben – darum geht es heute.
Über mich
Bevor ich hier von meinem Weg erzähle, erst mal ein paar Worte zu mir. Ich bin Anna, 28 Jahre alt und Mutter von zwei Kindern (5 und 2). Ich schreibe jetzt gerade meine Masterarbeit in Psychologie und auch sonst sehr gerne über verschiedene Themen rund um Mutterschaft, Gleichberechtigung und Psychologie. Einige meiner Texte und Gastbeiträge findet ihr auf meinem Instagram-Kanal unter @annaknowsitall.
Studieren mit Kind – so hat alles begonnen
Ich bin mit 22 Jahren, während des Bachelors schwanger geworden und wurde mit 23 dann zum ersten Mal Mutter. Als unsere Tochter dann also direkt nach Abgabe meiner Bachelorarbeit zur Welt kam, haben wir uns um Gleichberechtigung gar keine Gedanken gemacht. Ich dachte glaube ich damals, dass sei etwas, dass mit der richtigen Einstellung ganz automatisch passiert. Spoiler: Ist es nicht. Mein Mann war zwar von Anfang an deutlich mehr involviert als ein fiktiver Durchschnitts-Dad. Aber trotzdem hat uns ein traditionelles Rollenbild schnell ungewollt eingeholt.
Ich habe mich also ganz automatisch zurück genommen, während er seinen Master abgeschlossen hat, eine Firma gegründet hat und gearbeitet hat. Mein Studium kam an zweiter, dritter, vierter Stelle und fiel so immer mehr in den Hintergrund.
Der Patriarchatsschock
Obwohl ich für mein Studium eine große Leidenschaft hegte und sehr ehrgeizig war, fiel ich durch Klausuren oder schaffte ganze Semester durch nur sehr wenig. Als unsere Tochter dann durch Lungenprobleme leider auch noch zunehmend oft krank wurde, kam ich bald gar nicht mehr hinterher. Letztendlich musste ich schweren Herzens mein Studium pausieren.
Bevor ich dann in 2019 wieder schwanger wurde, haben wir uns also ausgiebig unterhalten und viel geplant. Das Ziel: Nicht wieder in eine Rollenverteilung fallen, die uns beiden nicht gut tut.
Wir haben uns bewusst gemacht, dass wir die Erwerbsarbeit meines Mannes und mein Studium als gleichwertig ansehen müssen. Nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch. Denn jedes Semester, in dem ich mein Studium früher schließen kann, bedeutet ja auch wieder ein früheres Einsteigen in die Erwerbsarbeit. Somit kostete uns mein angezogenes Studium ja auch Geld. Man sollte also ein bisschen langfristiger denken und Geld nicht zum Totschlagargument werden lassen.
Wie geht Gleichberechtigung beim Studieren mit Kind?
Wir haben also für die Elternzeit meines Mannes gespart und sie dann fair 50/50 aufgeteilt. Um nicht zu sehr von unserem Ersparten zu opfern, hat er seine 7 Monate teilweise in Teilzeit, teilweise in Vollzeit-Elternzeit gemacht.
Während der Teilzeit-Elternzeit meines Mannes haben wir uns tageweise aufgeteilt. Jeder hatte feste Tage, an denen er oder sie erwerbsgearbeitet bzw. studiert hat und andere Tage an denen die Care-Arbeit übernommen wurde. Wir sind sehr dankbar für dieses Privileg, dass wir uns das so frei aufteilen konnten und sind so sehr gut zurecht gekommen.
Herausforderungen auf dem Weg
Ein großes Thema, das einem quasi ins Gesicht springt, sobald man sich mit dem Thema Gleichberechtigung auseinandersetzt, ist die Mental Load. Mental Load ist diese psychische Belastung, die man (meistens als Frau) spürt, da man sich um so viele kleine Dinge kümmert und Sachen organisiert, die größtenteils unsichtbar sind. Also zum Beispiel Kinderkleidung im Auge behalten, aussortieren, auf Flohmärkten die passenden Sachen suchen und vergleichen und so weiter. Mit diesem Thema hatten und haben wir immer noch viel zu kämpfen. Ich kann da nur auf die vielen tollen Podcastfolgen zu dem Thema (#55 oder #38 zum Beispiel) und die Blogbeiträge mit Eve Rodsky und Patricia Cammarata verweisen. Die helfen uns auch jetzt immer noch viel was das Thema angeht.
Außerdem musste ich an der Uni öfter „laut“ werden für meine Situation als studierende Mutter. Zwar waren fast immer alle Dozent:innen super hilfreich und verständnisvoll. Wenn ich zum Beispiel gefragt habe ein Referat alleine zu halten oder statt einer Klausur kurz vor Geburt eine Hausarbeit abzugeben, aber man musste sich eben kümmern. Ich habe viele Mails geschrieben, Telefonate geführt und Gespräche gehabt, um mir an der Uni die Unterstützung zu holen, die ich gebraucht habe, gerade jetzt in der Pandemie. Angeboten wird einem per se erst mal nichts. Das ist für schüchternere Eltern oder Eltern mit weniger zeitlichen Ressourcen bestimmt super schwierig.
Gesellschaftliche Herausforderungen
Eine weitere Herausforderung ist, grob gesagt, die Gesellschaft. Denn eine gleichberechtigte Partnerschaft und aktive Väter sind leider immer noch nicht die Norm. Mein Mann wurde so zum Beispiel mit viel subtiler Herablassung am Arbeitsplatz (er war inzwischen Doktorand an der Uni) konfrontiert, als er seine Elternzeit für unsere zweite Tochter einreichte. „Ihre Frau kann doch das Studium nebenbei machen!“. „Können Sie ihren „Familienurlaub“ nicht auf die Semesterferien verschieben?“. Das ein Studium nicht mal einfach so nebenbei läuft hatte ich ja schon längst am eigenen Leib erfahren müssen und Familienurlaub war ein weit entfernter Traum. Damit hatte die Elternzeit meines Mannes nun wirklich gar nichts zu tun.
Letztendlich wurde der Antrag auf Elternzeit vom Chef meines Mannes einfach liegen gelassen, nicht unterschrieben und ging ohne weitere Reaktion erst nach Fristende automatisch durch. Dabei hat dieser Druck durchaus dazu geführt, dass wir unsere Pläne noch mal hinterfragt haben und sogar kurz davor waren, die Idee mit der Elternzeit hinzuschmeißen.
Wo wir heute stehen
Wir sind letztendlich trotzdem mutig unseren Weg gegangen. Mein Mann nimmt jetzt sogar noch mal, diesmal unbezahlte Elternzeit, damit ich meine Masterarbeit abschließen kann. Danach stehen wir dann endlich auch wieder beruflich auf der selben Ebene und können unsere Träume, sowohl beruflich, als auch in Bezug auf die Familie, gleichberechtigt verwirklichen.
Ich bin momentan auf der Suche nach einem Job, der mir eine 30-Stunden-Woche ermöglicht und auch mein Mann will sich beruflich umorientieren. Denn auch mein Mann sehnt sich nach einer Änderung. Der Druck finanziell alleine verantwortlich sein und die wenige Zeit mit den Kinder – auch Männer leiden unter dem Patriarchat. Es lohnt sich also doppelt sich um eine gerechtere Aufteilung zu bemühen.
Tipps fürs Studieren mit Kind
Auf jeden Fall würde ich allen Eltern raten sich an den Familienservice, die Gleichstellungsbeauftragten oder ähnliches an der Uni zu wenden. Da gibt es mit Sicherheit auch weniger hilfreiche Menschen, aber in unserem Fall haben wir uns da sehr gut beraten gefühlt. Meistens ist es für die Leute an diesen Stellen auch total wichtig, dass sich studierende Eltern mit ihren Problemen an sie wenden, weil sie sich auch nur dann adäquat für deren Interessen auf höheren Ebenen einsetzten können. Somit trägt man letztendlich auch zu einem familienfreundlicheren Uni-Klima allgemein bei.
Generell würde ich so früh wie möglichen mit den Dozent:innen an der Uni in Kontakt treten. Am Besten gut vorbereitet sein (z.B. durch eine Beratung beim Familienservice) und dann erklären was Sache ist und wie man euch am Besten unterstützen kann. Ruhig konkret sein und schon vorher wissen was möglich ist. Bei uns ist zum Beispiel fast immer eine Hausarbeit statt Klausur möglich, wenn nötig. Das weiß nur keiner, weil es so natürlich nicht kommuniziert wird.
Wie finanziert man das?
Außerdem sollte man sich alle möglichen finanziellen Hilfen anschauen und wenn nötig und möglich in Anspruch nehmen. Keine falsche Scheu: Hilfe annehmen tut gut und in den meisten Fällen ist es ja auch nur temporär nötig. Wir haben unter anderem Bafög in Anspruch genommen. Auch leben in einer geförderten Wohnung und werden mit dem Corona-Auszeit-Bonus endlich mal wieder Urlaub machen können dieses Jahr.
Ich habe aber auch gemerkt, dass man vieles dann eben doch selber recherchieren muss. Finanzielle Unterstützungen. Anträge für Bafög oder geförderte Wohnungen ausfüllen. Sich einlesen in das Mutterschutzgesetz und wie es ausgelegt wird für die Uni – das ist viel Arbeit. Ich bedauere das immer so, dass es darüber so wenig Austausch gibt und jedes studierende Elternteil gefühlt auf sich allein gestellt ist. Deswegen plane ich auch mein Wissen und meine Erfahrungen rund um das Thema „Studieren mit Kind“ in irgendeiner Form zusammenzutragen. Am Liebsten sogar als eigenes Buch.
Hoffentlich kann ich dann andere Studierende mit Kind noch besser unterstützen. Außerdem möchte ich dazu beitragen, dass sich Paare noch freier entscheiden können, wann für sie der richtige Zeitpunkt zum Kinderkriegen ist. Ganz unabhängig von willkürlich errichteten Hürden. Bis dahin versuche ich ab und an auch auf meinem Instagram-Kanal (@annaknowsitall) das Thema aufzugreifen und für Austausch zu sorgen.
Fazit
Studieren mit Kind kann eine super bereichernde Erfahrung sein, aber es birgt auch einige Hürden. Wenn man sich aber um eine gleichberechtigte Aufteilung bemüht und sich traut Hilfe zu suchen und anzunehmen klappt das schon. Als studierendes Elternteil sollte man sich nicht verstecken (müssen). Aus diesen Gründen teile ich so gerne meine Erfahrungen, da Eltern generell, aber vor Allem studierende Eltern, einfach sichtbarer werden müssen. Nur so werden auch unsere Herausforderungen sichtbar und nur so verändert sich was.
Wenn du mehr von mir sehen und lesen möchtest, dann folge mit gerne auf Instagram @annaknowsitall und wenn du mein Gespräch mit E-Lou gerne noch mal in ganzer Länge hören möchtest, dann findest du das hier.
Danke liebe E-Lou, für die Möglichkeit diesen Gastbeitrag zu verfassen. Ich freue mich schon darauf, wenn sich unsere (Arbeits-)Wege mal wieder kreuzen!
(Fotos von Carlaesk Fotografie.)